Die Floriade 2012 in Venlo


von Hermann Gröne,
erschienen in Gartenpraxis, Ulmer Verlag, April 2012

Fotos vom Floriadegelände finden sie in der Diashow


“Be part of the theatre in nature, get closer to the quality of life“ lautet das Motto der diesjährigen Welt–Garten-Expo Floriade in den Niederlanden.
Nur wenige weltweite Großveranstaltungen dürfen „EXPO“ im Titel tragen. Die letzten Veranstaltungen dieser Art waren die Welt-Expo 2010 in Shanghai und die Welt-Wasser-Expo 2008 im spanischen Saragossa. Dass die nur 16 Millionen Einwohner zählende Niederlande das 6. Mal zur alle 10 Jahre stattfindenden Floriade einlädt, zeugt von der enormen Bedeutung der Garten- und Agrarindustrie in den Niederlanden.
Das grenznahe Venlo liegt inmitten der Gartenbauregion Rhein-Maas am Niederrhein. Gemeinsam mit dem “Greenport Venlo“ bildet die deutsche Initiative “Agrobusiness“ hier das größte Gartenbauzentrum Europas. Über zwei Millionen Besucher, darunter 40% aus Deutschland werden zur Floriade erwartet. Unter diesen Vorzeichen ist die vom 5. April bis 7. Oktober im grenznahen Venlo stattfindende Veranstaltung ein Highlight, dass mehr zu bieten hat, als die alle vier Jahre stattfindende Bundesgartenshow auf deutscher Seite. Vier Gemeinden und viele Sponsoren aus der Region Nord-Limburg (Winterhärtezone 8a) vergeben an 40 Länder und 100 internationale Aussteller Raum und Fläche, um sich in teils aufwendigen Pavillons und Musteranlagen zu präsentieren.
Fünf große Themenbereiche liegen wie Inseln eingebettet in ein 66 ha großes Waldgebiet und sind über 3-minütige Wanderwege durch typisch niederrheinischen Kiefern-, Eichen- und Birkenwald miteinander verbunden. Damit sind die Bereiche für den Besucher optisch und akustisch getrennt. Die Wirkung ist verblüffend; der kurze Waldspaziergang bietet Zeit genug, um inne zuhalten, ohne sich zu langweilen.
Zwei hochmoderne Glasgebäude und das 1500 Personen fassende Amphitheater am Kopf eines lang gezogenen See´s sind die prägenden Bauwerke auf der Floriade. Nur auf der 1,1 km langen Fahrt mit der österreichischen Seilbahn, die in 30 m Höhe zwei weit auseinander liegende Themenbereiche verbindet, lässt sich das ganze Gelände überblicken.
Die größten Länderpavillions stellen die Niederlande, China, die Türkei, Italien und Spanien.
Eng mit den Niederlanden verbunden sind traditionell Länder, deren Beiträge asiatische und tropische Lebens- und Gartenkultur versprechen, zum Beispiel die Gebäude und Installationen aus Pakistan, Indien, Bangladesch, Sri Lanka und Indonesien.
Das benachbarte Nordrhein-Westfalen wirbt für Tourismus und Gartenbau mit eigenem Pavillon. Natürlich präsentiert sich die niederländische Baumschulindustrie und die “Internationaal Bloembollen Centrum“ mit teils spektakulären Objekten für ihre Sache.
Das federführende Architekturbüro ARCADIS und ihr “Hauptentwerfer“ John Boon haben für die Ausgestaltung der Basis-Pflanzflächen in den einzelnen Themenbereichen ganz auf Staudenpflanzungen gesetzt. In jedem Themenbereich sind die gewählten Pflanzkombinationen, ohne Stückwerk und Stilmix, konsequent umgesetzt. Die Pflanzungen befinden sich nun im dritten Standjahr und sind nahezu optimal entwickelt.
'Environmet' – Pflanzen steigern die Lebens, Arbeits- und Wohnqualität
Der Zugang über die neue Autobahnbrücke mit dem 70 m hohen Bürogebäude “Innovaturm“ wird zu einem Wahrzeichen der sonst flachen Landschaft im Venloer Becken werden.
Im Eingangsbereich und auf allen großen Plätzen stehen 1,20 m hohe Pflanzcontainer, die mit licht- und kleinkronigen Bäumen bepflanzt sind. Hier werden im Wechsel passend zur Blütezeit Staudengattungen wie Astilbe, Pfingstrosen, Hemerocallis oder Geranium präsentiert. Was “drinnen ist draußen, draußen ist drinnen“ bedeutet, zeigt der niederländische Beitrag. Wohnen und Arbeiten verlagert sich ins Aussen, das Grün erobert den Innenraum.
Die “Allee der Gartenkulturen“ besteht aus 15 Gärten internationaler Architekten, die das Thema: Bürogarten 2012 auf jeweils ganz eigene Weise interpretieren. Die „Allee“ bilden 120 verschiedene, teils seltene Baumarten in der Stammstärke 30-35 und mehr, die alle korrekt zu benennen auch versierten Dendrologen (unter den Lesern)schwer fallen dürfte. Lange schmale Streifen mit einer üppigen Beet- und Wildstaudenkombination durchziehen und teilen das Gelände. Klassische Rabattenstauden wie Sonnenbraut Helenium, hohe Astern oder Lampenputzergras, aber auch neue Sorten von (der deutschen Staude des Jahres ) Kerzenknöterich Persicaria amplexicaulis bestimmen das Bild. Im Spätsommer geben Staudensonnenblume Helianthus 'Lemon Queen'und Chinaschilf Miscanthus den Ton an.
' Green Engine' - Natur und Industrie – zwei Gegensätze?
Die Villa Flora, ein imposantes Glashaus mit 6000m³ Ausstellungs- und 4000 m³ Bürofläche beherbergt die Blumen und Pflanzenshows auf der Floriade. Jede Woche rücken Floristen in immer wechselndem Ambiente eine andere Art in den Focus. Der mit den neuesten regenerativen Techniken ausgestattete Bau des niederländischen Architekten Jon Kristinsson dominiert diesen Bereich. Im “Blumenzwiebel-Pavillon“ informiert das “Internationaal Bloembollen Centrum“ über den Exportschlager der holländischen Pflanzenproduktion: Tulpe, Narzisse und Co.
Beim Vorbesuch im September 2011 beeindruckte die großflächige Staudenwiese an der Villa Flora. Die Pflanzung ist mit dem Zufallsgenerator geplant. Nur Artenauswahl und Häufigkeit wurden festgelegt; viel Schafgarbe, ganz viel Verbena bonariensis und wenige Fackellilien.
'Relax and Heal' – Mit allen Sinnen wahrnehmen und entspannen
Der östliche gelegene Bereich stellt die Wirkung des Gartens auf die Wahrnehmung des Menschen dar. Das bunte “Relax in the City“ und der “Feel Good Garden“ sind von begehbaren Rasenhalbkugeln umgeben. Das verbindende Elemente ist die an Trockenheit angepasste, steppenartige Pflanzung mit Gräsern, graulaubigen Pflanzen und typischen Dauerblühern wie Katzenminze, Steinquendel und Agastache.
Reitgras Karl Förster, Föngras Achnaterum und neueste Panicum bilden das Gräsergerüst der Anlage. Zu halbhohen Büschen geschnittener Buschklee Lespedeza, mannshohe Artischocken oder die Bergminze Pycnanthemum tenuifolium als wertvolle Begleitstaude überzeugen auch den Experten.
'Education & Innovation' – Forschung und Lehre
Der Niederländische Staat präsentiert sich in diesem Teilbereich der Floriade in Form eines begehbaren Keimlings. Der zentrale Pavillon des niederländischen Baumschulsektors informiert über die Bedeutung des Lebewesens Baum für unsere Welt. Die Wilde Weelde, eine Fachvereinigung aus naturfreundlichen Unternehmern im Grünen Bereich zeigt einen Naturerlebnis-Garten.
Reihen von kastenförmig geschnittenen Linden gliedern das sanft modellierte Gelände. Die großzügige Staudenpflanzung an einem Hang wirkt wild und naturhaft. In der halbhohen, prärieartigen Kombination sind große Gruppen von Rudbeckia, Achillea und Helenium die Leitstauden. Bänder von Waldschmiele, Rutenhirse und Reitgras 'Karl Förster' durchweben mit ihren filigranen Ähren die gelb-, braun- und rottönigen Blütenfelder.
' World Show Stage' - Schmelztiegel aus Kunst, Kultur und Unterhaltung.
Große Veranstaltung - große Bühne. 1500 Personen fasst das Amphitheater und der See am Waldrand hat die passenden Dimensionen. Entlang des großzügigen Boulevard sind die meisten der Länderpavillions angesiedelt. Das bescheiden ausgefallene Rosarium unter der Seilbahnstation wird mit den in der Region reichlich vorhandenen Rosenzielen wie Rosendorf Lottum und dem Schlosspark Arcen erklärt.
Sorten von Magnolia, Hydrangea, Cornus, Syringa und Cercidiphyllum gehören zum Pflanzeninventar des vom englischen Landschaftsgarten inspirierten “Secret Garden“ im Rücken des Amphitheaters.
Der April und Mai bietet einen ersten Höhepunkt mit der Blüte von 2 Millionen Blumenzwiebeln in etwa 12.000 verschiedenen Arten und Sorten, die nach Pflanzplänen von Jacqueline van der Kloet im gesamten Gelände gelegt wurden.
Mit Mut zur Farbe, verschwenderischer Vielfalt und einem schwungvollen Stil errang die niederländische Gartenarchitektin weltweite Anerkennung. Ihre Handschrift lässt sich u.a. im Regierungsviertel in Kuweit, im Milleniumpark Chicago, im Battery Park in Washington und dem Keukenhof in Holland bestaunen.
Von Mitte Juni bis August sind sämtliche Pavillons, Gärten, Restaurants und Geschäfte in den Themenbereichen “Environment“ und “World Show Stage“ an den Wochenenden bis Mitternacht geöffnet. Unter dem Motto „Gärten bei Nacht" präsentiert die Floriade ein vielfältiges Programm, das einen abwechslungsreichen Sommerabend garantiert.
Um alle fünf Themenbereiche zu besuchen, sollten laut Veranstalter 7 Stunden eingerechnet werden. Im Internet kann man sich laufend auf der deutschen Webseite über Veranstaltungen auf der World-Show-Stage oder die aktuellen Blumenschauen in der Villa Flora informieren.
Die Veranstalter geben sich große Mühe, dem Begriff der Nachhaltigkeit (niederl.: duurzaamheid) und dem Prinzip des “cradle to cradle“, Leben einzuhauchen. Das Gelände wird nach dem Veranstaltung weiter genutzt, die Villa Flora und der Innovaturm als Bürogebäude vermietet. Neueste Technologien in Sachen Recycling, Wasser-, Ressourcen- und Energieeinsparung sind überall anzutreffen.
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